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Kapitel Eins

Manchmal glaubst du, wenn die Vorarbeit abgeschlossen ist, das Plotten und Planen, der Prolog, dann bist du fertig. Alles andere ergibt sich von selbst. Weit gefehlt, Albträumer. Du fängst gerade erst an.

Dahlenburg, Juni 2010
Dahlenburg, Juni 2010

Einen Roman zu schreiben und das Leben zu führen, das man sich wünscht, ist manchmal eine Sisyphos-Arbeit. Du steckst deine ganze Energie in einen Teilaspekt des Ganzen und für den Moment fühlt es sich vollständig an. Bis du begreifst, dass du weit entfernt davon bist, auf dem Gipfel des Berges zu stehen, oder, um die Metapher des heutigen Bildes aufzugreifen:

 

Du hast nur den nächsten Kilometerstein erreicht, der Bahnhof ist nicht einmal in Sicht. Abgesehen davon weißt du gar nicht, ob es sich um jenen Bahnhof handelt, an dem du ankommen willst. Vielleicht musst du noch weiterfahren, Kapitel um Kapitel, um endlich dein Ziel zu erreichen.

 

Und nach dem Roman ist vor dem Roman. Selbst wenn du mit einer Geschichte fertig geworden bist (oder sie mit dir), dann wartet bereits die nächste auf dich.

Das ist der Moment, wenn du es endlich begreifst. Das Gleis, auf dem du dich befindest und das eine Reihe von Bahnhöfen miteinander verbindet, ist nur eines von vielen. Über Grenzen hinaus wirst du immer wieder neue Orte kennenlernen, die dir auf eine absurde Art und Weise doch vertraut erscheinen. Auch wenn du noch nie hier gewesen bist. Du entdeckst, du erweckst.

 

Es sind die Holzschwellen der Gleise, an die du dich halten musst, um nicht durchzudrehen. Schwelle um Schwelle, also Schritt für Schritt näherst du dich deinem nächsten Ziel, nur darum geht es. Wort um Wort verfasst du so das erste Kapitel, siehst, wie es wächst, und du gestaltest es nach deinen Wünschen, wie dein Leben. Du erreichst ein Momentum bis zum nächsten Halt, mag er aus Zweifel oder Hoffnung bestehen. Und dann schreibst du einen Blog-Eintrag, der den Titel "Kapitel Eins" trägt, um dir das alles bewusst zu machen.


Zur Vertiefung kann dir das folgende (auf Deutsch nur antiquarisch verfügbare) Buch dienen:

Notiz: Anne Lamotts Buch habe ich vor ein paar Jahren bereits gelesen. Es enthält einige sehr wertvolle Hinweise, wie ich finde. So wertvoll, dass sie ähnlich zeitlos sind wie z.B. Stephen Kings Ratschläge in "On Writing" oder Dorothea Brandes Klassiker "Schriftsteller werden", Sol Steins Anleitungen in "Über das Schreiben" oder Francine Proses grandioses Buch "Reading like a Writer". Ein Buch zum Wiederentdecken also. Wie passend zum ersten Kapitel dieses Blogs.


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